Seb Smart

2025-07-23

Wenn du ein bisschen besser mit der britischen Kultur vertraut bist, wirst du den Film Snatch kennen. Und wenn du Snatch kennst, wirst du auch wissen, wer Mickey O‘Neill ist. Wenn das Surfen einen Mickey O’Neill - „der redegewandte, tätowierte Bareknuckle-Boxchampion“ - bräuchte, wäre es Seb Smart, und zwar nicht nur in Europa. 

 

Er stammt aus dem äußersten Südwesten Großbritanniens, genauer gesagt aus Sennen Cove, nur ein paar Kilometer von Lands End entfernt. Ein Winkel Cornwalls, der von Piraten, Schmugglern, Fischern geprägt ist - aber auch gute Wellen zu bieten hat. Seb könnte seine Umgebung nicht besser verkörpern: Er ist der Antiheld, den das Surfen braucht. Mit einem perfekten Stil und tagelanger Power ist Seb Smart eine echte Ikone der britischen und der europäischen Kultur - sowohl im Wasser als auch außerhalb. Er hat eine Vorliebe fürs Boxen, ein ausgeprägtes Gespür für Kunst und ein Talent fürs Geschichtenerzählen, auf das viele Generationen von Cornwallern vor ihm stolz gewesen wären. Wir haben mit Seb telefoniert, um zu erfahren, was ihn wirklich antreibt.

 

Für diejenigen, die dich noch nicht kennen – stell dich doch einfach selbst vor. 

Ich heiße Seb Smart und komme aus dem tiefen Südwesten von Cornwall. Ich surfe gerne, skate ein bisschen, male und zeichne – und boxe auch, obwohl ich im Moment eine Pause davon einlege, weil das den Gehirnzellen unnötigen Schaden zufügt... Das bin ich. 

 

Erzähl uns etwas über Sennen – deine Heimatstadt. 

Es ist ein kleines Fischerdorf. Hier gibt es ein sogenanntes „RNLI-Lifeboat“, also eine Art freiwillige Küstenwache, der sich viele Einheimische angeschlossen haben. Ansonsten gibt es viele Fischer. Es ist ein typischer kleiner Küstenort, der in der Sommersaison aufblüht. Die Winter sind lang, aber die Wellen sind gut. Im Sommer ist der Ort bei Touristen sehr beliebt, und das ist auch gut so, denn sie verleihen ihm eine tolle Energie. Im Sommer bleibe ich meistens dort und im Winter versuche ich, auf Reisen aktiv zu sein. Es ist mein absoluter Lieblingsort. 

 

Wie sieht ein normaler Tag in Sennen Cove so aus?

Aufwachen, einen Blick auf die Wellen werfen und schauen, was los ist. Wenn die Sonne scheint, kann man am Strand relaxen oder das Meer genießen. Fischen. Surfen. Die meisten von uns arbeiten tagsüber, es gibt ein paar Cafés und Restaurants und, ganz wichtig: Pubs. Abends landen wir meistens im Pub, da gibt es manchmal Quizabende oder Livebands. Bei guten Wellen heißt es früh aufstehen, den ganzen Tag surfen und danach ein paar Pints und Livemusik im Pub genießen. Das Leben hat hier ein angenehmes Tempo, das mag ich. 

Wie fügt sich deiner Meinung nach Sennen in die britische Surfszene ein? 

Sennen war schon immer ein bisschen abgekoppelt vom Rest der Szene, obwohl wir hier unten gute Wellen und einige wirklich talentierte Surfer haben. Es ist alles ziemlich „underground“ hier. Wir liegen eben ein Stück abseits. Es gibt ein paar Jungs hier, die richtig gut surfen. Einer war zum Beispiel eigentlich Techniker und hat es geschafft, die britische Meisterschaft zu gewinnen – er gehört zu meinen Lieblingssurfern. Ich habe mich aus der Wettbewerbsszene zurückgezogen, weil sie für mich ein bisschen zu cliquenhaft war, außerdem sind die Wellen in der Szene ziemlich unberechenbar. Versteht mich nicht falsch: Wenn wir die Wellen von Hawaii hätten und eine Pipeline, auf der wir antreten könnten, würde ich die ganze Zeit an Wettbewerben teilnehmen. Hier unten in Sennen sind wir ziemlich weit weg von allem, was in der UK-Wettbewerbszene passiert. Ich hatte meine Zeit: Als Jugendlicher habe ich den britischen Titel gewonnen. Heute warte ich einfach nur auf die Einladung zum Padang Cup, aber ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, ob die jemals kommt… 

 

Die große Szene interessiert mich nicht besonders, ich konzentriere mich lieber auf das, was direkt um mich herum geschieht. Ich warte einfach darauf, dass ein neuer Occy oder Tom Curren auf der internationalen Bühne auftaucht… Was Großbritannien betrifft, sieht es eigentlich recht gut aus: Es gibt viele motivierte Surf-Kids, die richtig Lust aufs Surfen haben. Da sind zweifellos einige tolle Talente dabei. 

 

Hast du irgendwelche Reisen geplant?

Im Sommer bleibe ich hier in der Gegend und surfe, wenn die Wellen mitspielen. Ich habe mich neulich beim Skaten ein bisschen verletzt, deshalb trainiere ich gerade viel und versuche, wieder fit zu werden. Nebenbei kümmere ich mich um ich ein paar kleinere Projekte hier vor Ort und arbeite ein bisschen. Ab September will ich dann wieder reisen, wahrscheinlich nach Indonesien, in der Hoffnung, dort ein paar richtig gute Wellen zu erwischen. Ich war noch nie am Desert Point, daher würde ich dieses Ziel gerne von meiner Liste streichen können. Dazu habe ich auch Chope im Visier. Und dann natürlich all die versteckten Ecken und Winkel in Europa – die lohnen sich eigentlich immer. 

 

Erzähl uns was von den Brettern, die du in letzter Zeit genutzt hast. 

Ich nutze B.O.S Surfboards von Hugh Brockman, einem lokalen Shaper aus meiner Gegend. Wir haben im Grunde die normalerweise ziemlich dünne und spitze Outline eines klassischen 90er-Jahre-Shortboards genommen und etwas Volumen dazugegeben, was die Form insgesamt etwas runder macht. Optisch ist es ein Board der 90er-Jahre, aber eben etwas massiver, damit man wirklich saubere Linien surfen kann. Ich habe keine Lust mehr auf kurze, breite Boards – mich reizt es viel mehr, längere, große Linien und Carves zu ziehen. In letzter Zeit nutze ich ein 6’3er und ein 6’6er – die laufen richtig gut und haben schön gestreckte Formen. 

Du bist ziemlich aktiv, was das Produzieren von Surf-Edits angeht – woran arbeitest du gerade? 

In den letzten drei, vier Jahren habe ich eigentlich kaum noch etwas rausgebracht, sondern mich auf andere Dinge konzentriert. Jetzt habe ich wieder mit Airs angefangen und würde das gerne in ein paar neuen, schlagkräftigen Edits zeigen. Außerdem gibt es in der Nähe von Sennen einen Big-Wave-Spot, der bisher ziemlich unentdeckt ist. Ich bin dort in letzter Zeit öfter rausgepaddelt und habe gesurft, also lerne ich den Spot gerade so richtig kennen. Ich möchte ein kleines Video machen und den Ort damit ein bisschen bekannter machen. Niemand wagt sich wirklich dort raus, weil es nicht möglich erscheint, aber wenn man dort ist, ist es wirklich schön. Ich warte nur auf die richtige Welle. 

 

Wer sind deine Vorbilder, denen du im Surfen und in anderen Bereichen folgst?

Auf diese Frage fallen mir nach dem Gespräch bestimmt noch unzählige Namen ein... Was Surfen betrifft, habe ich Occy schon immer bewundert: Er zeigt so viel Kraft und ist so stark auf der Kante - er ist einfach ein ganz besonderer Surfer. Gerade jetzt, wo so viele Leute hauptsächlich Airs machen, habe ich das Gefühl, dass Occy aktueller und inspirierender denn je ist. Ich habe mir vor kurzem auch Aufnahmen von Rob Machado angesehen, und seine Art zu Surfen ist einfach phänomenal. 

 

Ansonsten war ich schon immer ein großer Fan von Mike Tyson und Mohammed Ali. Sie sind beide größer als sie selbst und größer als der Boxsport. 

 

Ich bewundere sie wirklich, im Wasser wie an Land. Sam ist zwölf Jahre älter als ich und musste früher oft auf mich aufpassen – und dabei brachte er mir das Surfen bei. Er war ein großer Fan von Occy und hatte einen ähnlichen Stil, den ich dann einfach nachahmte. Ich war wie besessen davon, ihm beim Surfen zuzusehen. Mein Bruder Lew war ähnlich, nur dass er Bodyboarder war: Ich fand es immer total faszinierend ihm zuzuschauen. Als ich alt genug war, alleine an den Strand zu gehen, nahm ich oft sowohl ein Surfbrett als auch ein Bodyboard mit und machte dann einfach beides. Am Ende blieb ich beim Surfen: Es fühlte sich einfach schneller an. 

 

Deine Familie hat eine lange maritime Tradition – kannst du uns mehr darüber erzählen?

Mein Großvater war bei der Royal Navy, dann Kapitän auf einem Schlepper auf der Themse und später in der Handelsmarine. Auch mein Vater war Seemann in der Handelsmarine – seitdem er 16 Jahre alt war bis zu seiner Rente. Meine Familie war schon immer auf See. Zwischen den Einsätzen bei der Marine ging man fischen. Meine Mutter ist eine Bergmannstochter aus Yorkshire, ihr Vater starb im Bergwerk, als sie 12 Jahre alt war. Meine Brüder und ich sind die ersten Surfer in unserer Familie. Als wir aus Penzance wegzogen, befanden wir uns direkt vor den Wellen und begannen zu surfen. 

 

Wie ist das für dich, wenn du dich über Kunst und Illustration ausdrückst? 

Einfach toll. Ich bin keine Person, die Dinge erzwingen kann. Oft beschäftige ich mich mit anderen Dingen, aber wenn ich dann die Motivation und Inspiration zum Malen habe, dann lege ich los. Oft passiert das abends, kurz bevor ich ins Bett gehe: Mir kommen Ideen, ich hole eine Leinwand und fange an zu malen, und bevor es mir wirklich bewusst wird, ist da plötzlich etwas entstanden. Alle paar Monate packt mich die Lust zu malen richtig intensiv. Es ist einfach ein großartiger Weg, sich auszudrücken. Entspannend. Fast wie eine Therapie. 

 

Es gibt eine Band namens Wunderhorse: Ich habe für sie ein kleines Logo gestaltet, das eine teuflische Gestalt darstellt, außerdem planen wir, dass ich während eines ihrer Auftritte live ein Bild auf einer großen Leinwand male. Darauf freue ich mich sehr, möglicherweise werde ich dazu auch noch ein paar weitere Werke realisieren. Eine Serie von Gemälden. Darauf konzentriere ich mich als Nächstes.

Kannst du uns etwas über das Boxen erzählen? 

Mein Bruder hat schon immer geboxt, und bevor er Profi wurde, ging ich mit ihm trainieren. Da war ich so elf Jahre alt. Das war toll: Er nahm mich einfach mit und wir gingen zusammen zum Training. Die anderen waren alle älter als ich, aber ich mochte das total – ein paar Mal die Woche mit den Großen abhängen und trainieren, das hatte was. Ich machte es nur, weil er es tat und es mir gefiel. Ich trat in ein paar Kämpfen an, da war ich ungefähr 17. Es waren unlizenzierte Fights oben in Essex, die ich gelegentlich auch gewann: Das war ein tolles Gefühl, deshalb wollte ich es ernsthaft versuchen. Während dieser Zeit gingen Sam, mein älterer Bruder, und ich nach Australien. Ich hatte zuvor nicht viel gesurft, da ich mich so sehr auf das Boxen konzentriert hatte, aber dann fing ich wieder mit dem Surfen an, und das Boxen wurde zu etwas, das nicht mehr im Mittelpunkt stand. Ich konnte es später wieder aufnehmen.

 

Vor ein paar Jahren trat ich nochmal in einem Kampf an, und zwar gegen einen richtig talentierten Boxer. Den habe ich allerdings verloren. In der Woche danach konnte ich mich an nichts erinnern, und das machte mir Angst. Ich hatte so viele Schläge auf den Kopf bekommen, dass ich alles vergaß. So beschloss ich, einen Schritt zurückzutreten und nur noch zu trainieren, ohne zu kämpfen. Ich liebe das Training, die Schläge auf den Sandsack, ein bisschen Sparring - aber der eigentliche Kampf reizt mich nicht mehr.

 

Was ist dein Rekord? 

Fünf Kämpfe, wobei ich einmal verloren habe. Das geht klar. 

 

Irgendwelche letzten Worte? 

Nicht wirklich. Bleib einfach dir selbst treu. Das war‘s.

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