Hinter der Kamera – Alexandre Valentino

2025-12-15

Alexandre Valentino ist seit fast zwei Jahrzehnten eine echte Größe in der europäischen BMX-Szene. Es ist echt schwer, Alex in eine Schublade zu stecken: Er ist ein Profi-Rider, Gründer einer Marke, Teammanager von Vans EMEA und einer der besten Filmemacher und Fotografen in der Szene. Er hat ein scharfes Auge für Storytelling, das er auch in der Werbung einsetzt, wo er unter anderem Fußballer der Premier League fotografiert, für Magazine arbeitet und Modekampagnen macht. Alex lebt im Süden Frankreichs und ist ein Familienmensch, der trotz seiner vielen Erfolge in seinem Bereich und darüber hinaus bescheiden und bodenständig geblieben ist. Als Teil unserer Serie „Hinter der Kamera“ haben wir mit Alex telefoniert, um mit einer der facettenreichsten und erfolgreichsten Stimmen der BMX-Szene zu quatschen.

Erzähl uns etwas mehr über dein Leben.

Ich heiße Alexandre Valentino. Ich bin 39 Jahre alt und wohne im Südosten von Frankreich. Ich war früher Profi-BMX-Fahrer, jetzt mache ich Filme, fotografiere und leite das Vans EMEA BMX-Team.

 

Wie hat bei dir alles angefangen?

Ich hab zuerst mit dem Biken angefangen, und das Filmen kam dann kurz danach dazu. Ich habe es geliebt, BMX-Videos zu schauen, und wollte mit meinen Freunden was Ähnliches machen. Wir haben versucht, die Videomagazine zu kopieren, die damals echt angesagt waren, wie das Props Magazine, das Anfang der 2000er Jahre quasi die Bibel für alle in der BMX-Szene war.

Ich fand es schon immer cool, zu filmen und hinter der Kamera zu stehen. Als ich jünger war, haben meine Eltern eine Videokamera gekauft, und ich hab sie sofort geschnappt, um damit BMX-Szenen zu filmen. Die Kamera haben sie nie wieder gesehen. So hat eigentlich alles angefangen. Ich habe Stunden damit verbracht, Videos anzuschauen und Freunde aus meiner Nachbarschaft zu filmen. Wir haben die ganze Zeit gefilmt, konnten das Material aber nicht bearbeiten, weil wir keinen Computer hatten.

Trotzdem hab ich mich total in das Filmen verliebt. Wir haben immer weiter Clips für ein Video gesammelt, das dann tatsächlich drei Jahre später herauskam. Ich glaube, es ist immer noch irgendwo auf Dailymotion zu finden…

 

Und wie ging es von da aus weiter?

Durch meine frühe Faszination fürs Filmen hab ich nach der Schule Kunst und Film studiert. Aber wenn ich so zurückblicke, bin ich mir nicht sicher, ob das die beste Entscheidung war. Manchmal ist es so, dass man die Begeisterung für eine Sache verliert, wenn man es dann in der Schule oder Uni lernen muss, vor allem wenn man noch jung und beeinflussbar ist.

Nach drei Jahren Uni habe ich mich entschieden, mich stattdessen auf meine BMX-Karriere zu konzentrieren. Zu dieser Zeit ging meine Profikarriere richtig los, ich hatte mehr Sponsoren, bekam mehr Aufmerksamkeit und unternahm mehr Reisen – es fühlte sich also nach dem richtigen Schritt an. Die Schule abzubrechen war echt 'ne schwere Entscheidung, aber ich habe mit meinen Eltern darüber geredet, und sie haben mich voll unterstützt.

Von da an habe ich mich voll aufs Biken und Reisen konzentriert, und alles andere hat sich dann ganz natürlich ergeben. 2009 hab ich meine eigene Marke gegründet und da kam meine Leidenschaft fürs Filmen wieder richtig zurück.

Wenn du in einer dieser Sportarten richtig gut bist, bereichert das dein Leben auch auf künstlerische Art und Weise, und du triffst immer talentierte Fotografen, Filmemacher und Grafikdesigner. Großer Respekt an dieser Stelle für Manu Sanz, Vince Perraud und Thibaut Grevet.

War es für dich damals schwierig, das Filmen und Biken unter einen Hut zu bringen?

Die Sache ist die: Irgendwann musst du mal einen Schritt zurücktreten, wenn du ein guter Filmemacher werden willst. Als ich meine Marke MarieJade gegründet habe, wollte ich der Welt das Talent und den Style der Biker um mich herum zeigen. Ich dachte mir die ganze Zeit: Das ist einfach zu gut, und wollte natürlich gleich mit dem Filmen anfangen.

Ich hatte nicht wirklich das Gefühl, meine Karriere zurückzustellen. Ich war immer noch derjenige, der gefilmt wurde, und arbeitete an großen Projekten mit meinem Hauptsponsor United BMX sowie mit Vans, Carhartt und anderen. MarieJade ist für mich einfach eine weitere Möglichkeit geworden, mich auszudrücken.

 

Was macht dir mehr Spaß - biken oder filmen?

Ehrlich gesagt, ist das 'ne echt schwierige Frage. Es macht mir gleich viel Spaß, aber auf andere Art und Weise.
Wenn du gefilmt wirst, siehst du dich selbst durch die Augen von jemand anderem, und jeder sieht die Dinge anders. Mal sieht man sich selbst und findet es super, und andere Male kann es auch nach viel harter Arbeit echt enttäuschend sein.

Als Filmemacher bringst du deine eigene Sicht auf einen Moment, auf Menschen, Orte und eine bestimmte Zeit in die Welt. Und wenn du das Gefühl hast, dass du den richtigen Moment perfekt eingefangen hast, kann das Ergebnis echt mega befriedigend sein.

 

Wie findest du den Mix aus Fotos und Videos?

Ich habe mich immer mehr als Filmemacher denn als Fotograf gesehen.
Aber in letzter Zeit mache ich mehr Fotos als Videos, das ist schon ein kleiner Wandel. Aber am Ende ist meine Leidenschaft das Storytelling, egal ob durch Bilder oder Filme.

 

Was sind deine Lieblingsmedien zum Filmen?

Oh, ich habe unzählige Kameras. Ich denke, es ist eigentlich egal, was du nimmst, es kommt nur drauf an, was du ausdrücken willst. Manche Kameras helfen einfach dabei, die Geschichte ein bisschen besser zu erzählen.

Eine VX sorgt für Y2K-Nostalgie, aber wenn man etwas besonders Sauberes will, dann greift man lieber zur FX3. Im Moment finde ich es echt cool, für Vans-Projekte mit der Panasonic HMC150 zu filmen. Auch hier geht's wieder um den Look, den du haben willst, diese spezielle Stimmung, die dem ganzen Video seinen eigenen BMX-Charakter gibt.

Nachdem du unter anderem Mbappé für FIFA und zahlreiche andere Werbekampagnen fotografiert hast – wie gefällt dir die Mischung aus Kommerziellem und deinen Herzensprojekten? Was ist die Herausforderung dabei?

Ehrlich gesagt werde ich mich immer als Fotograf und Filmemacher im Herzen fühlen, selbst wenn ich eher Mainstream-Sachen mache. Ich fühle mich beim Filmen von BMX auf der Straße wie zu Hause – aber ich mag auch die Herausforderung, meine Vision in andere Welten zu bringen.

Neben Vans verbringe ich die meiste Zeit damit, Inhalte für meine Freundin zu erstellen. Ihre Marke heißt Billynou und ist für mich auch eine super Möglichkeit, mich kreativ auszudrücken. Checkt es mal aus!

 

Was waren deine Lieblingsreisen mit Vans, die du bisher gemacht hast?

Als Filmemacher haben wir damals eine Serie namens „The Palmistry Guide“ gemacht. Es war eher so ein Dokumentarfilm-Projekt, bei dem wir an Orte gereist sind, wo noch nie jemand zuvor BMX gefahren ist. Alles kam mir beim Filmen so exotisch vor; alles war neu und schön, ganz anders als das, was ich gewohnt war.

Wir sind nach Marokko, Island und Thailand gefahren, haben einen Van gemietet und uns von lokalen Guides herumführen lassen, die uns Sachen gezeigt haben, die man normalerweise nie zu sehen bekommt. Schlafen in der Wüste, auf Booten, super Essen mitten im Nirgendwo und an den unglaublichsten Orten biken.

 

Beschreib uns mal die lokale Szene.

Früher war es eine riesige Szene. Für so einen abgelegenen Ort in Frankreich hatten wir eine große Community und echt gute Rider. Die Energie war echt krass, und ehrlich gesagt war das der Grund, warum ich meine Marke überhaupt gegründet habe.

Ich muss zugeben, dass es nicht mehr ganz dasselbe ist, wir werden alle älter. Hoffen wir mal, dass die nächste Generation daran anknüpft.

 

Wie findest du die BMX-Szene in Europa?

Es ist nicht ganz so einfach, aber die jungen Rider sind echt motiviert. Ich war vor kurzem in Paris unterwegs und habe mit ein paar von ihnen abgehangen. Ihre Energie hat mich echt daran erinnert, worum es beim BMX im Kern geht.

Es gibt jetzt auch immer mehr weibliche Rider und eine wachsende Community von Frauen, die echt die Grenzen verschiebt. Das ist wirklich beeindruckend.

Wo filmst du am liebsten?

Mir gefällt es eigentlich überall. Ich sehe gerne das Schöne in allem. Jeder Ort hat was zu bieten. Ich liebe Paris wegen seiner Architektur und Geschichte; die Stadt selbst ist einfach eine unglaubliche Kulisse. Ich mag auch ländliche Gegenden echt gern.

Während der Corona-Pandemie habe ich ein Fotobuch über meine Heimatstadt gemacht, und es war echt cool, die Schönheit eines Ortes neu zu entdecken, den ich schon mein ganzes Leben lang kenne. Das hat meine Sichtweise total verändert, und ich muss sagen, es hat mir echt gut getan. Das Buch kam 2022 raus, und Leute aus meiner Heimatstadt haben Texte und Gedichte dazu beigesteuert. Ich bin echt stolz auf dieses Projekt, es heißt Smile.

 

Gibt es Filmemacher oder Fotografen, zu denen du aufschaust und die deine Arbeit inspiriert haben?

Die Zusammenarbeit mit Thibaut Grevet war damals echt eine der besten Dinge, die mir in Sachen Kreativität passiert sind. Wir haben 2012 zusammen an einer Videoserie namens „Another Perspective“ gearbeitet. Das Projekt war echt super, aber was mir wirklich in Erinnerung geblieben ist, ist dieses kleine Spiel, das wir gespielt haben: Wir haben versucht, das beste „random“ Foto mit unseren Handys zu schießen und sie danach verglichen.

Es war lustig, aber es hat uns auch die Augen für Details geöffnet, die wir sonst wahrscheinlich nicht bemerkt hätten.

Die Künstler, die mich außerhalb der BMX-Welt am meisten inspiriert haben, sind Michel Gondry, Sofia Coppola, Henri Cartier-Bresson, Pierre Boncompain, Monet und Picasso.
Im Bereich Extremsport habe ich schon immer zu Manu Sanz und Vince Perraud aufgeschaut, und momentan finde ich Arnaud Wolff und Ben Gea auch echt gut.

Hast du außer Fotografie, Filmemachen und BMX noch andere Hobbys?

Abgesehen von BMX liebe ich es, kreativ zu sein. Ich male gern, meistens Porträts oder Aktbilder von meiner Freundin, und das hat mir echt geholfen, die Farblehre besser zu verstehen.

Ich habe auch gerade ein Kinderbuch fertiggestellt, das ich selbst geschrieben und illustriert habe. Jede Illustration ist im Grunde ein kleines Gemälde.

Und ich bin gerade von einem Bikepacking-Trip zurückgekommen, was mittlerweile zu meinen Lieblingsbeschäftigungen in meiner Freizeit geworden ist. Es verbindet zwei meiner größten Leidenschaften: Bikes und die Natur. Wir haben 'ne kleine Bikepacking-Crew auf Instagram namens „Summer Mixtape Fanclub“ – schaut mal vorbei und folgt uns!

 

Hast du bei all dem noch Zeit, selbst BMX zu fahren?

Immer!

 

Als Teammanager für BMX bei Vans Europe hast du als ehemaliger Profi, Filmemacher und Fotograf bestimmt ein ziemlich gutes Verständnis dafür, wie man Trips organisiert, oder?

Ich glaube, deshalb hat Vans mich eingestellt. Als Teammanager, der selbst Profi war und auch als Filmemacher arbeitet, bekommst du von den Ridern natürlich einen gewissen Respekt. Wenn sie einen schwierigen Trick ausprobieren, wissen sie, dass du sie verstehst und er richtig mit der Kamera eingefangen wird.

Vor allem aber spürt man Einfühlungsvermögen. Wir haben alle Verständnis füreinander und wissen, wer wie tickt.

 

Irgendwelche letzten Worte? Eine Botschaft ans Internet? Eine Nachricht an dein jüngeres Ich?

Ich habe neulich erst mit einem meiner Rider darüber gesprochen. Sie hatte ein bisschen Angst vor einem schweren Sturz, vor allem nachdem ein anderer Rider einen schlimmen Unfall hatte. Biken kann gefährlich sein, und sie hat sich plötzlich gefragt: Ist es das wirklich wert?

Das hat mich echt zum Nachdenken gebracht. Ich habe ihr gesagt, dass es manchmal besser ist, den Moment einfach zu genießen. Du musst nicht dein Leben bei Extremsportarten riskieren, um Spaß zu haben. Einige der besten Rider sind auch die mit dem besten Stil, und ich persönlich achte sehr auf Stil und Ästhetik.

Versuch, dich darauf zu konzentrieren, einen schönen Fahrstil zu entwickeln.